Donnerstag, 9. März 2017

Editorial Kongress-Brief Gender-Gesundheit (Februar 2017)

Aschermittwoch ist vorbei und der 1. April noch fern; doch die "Beruf und Karriere"-Redaktion der F.A.Z. (04.03.17) schien zum Scherzen aufgelegt: "Wir brauchen eine Männerquote für Ärzte". Kein Witz. Der Autor des Gastbeitrags, pensionierter Chefarzt und Radiologe, fordert eine Männerquote für Studienanfänger der Medizin und sorgt sich um ausreichende medizinische Versorgung, angesichts des kontinuierlich steigenden Anteils weiblicher Medizinstudenten.

Wie bitte? Eine Quote für junge Männer muss her, sobald absehbar ist, dass sich mehr Frauen für ein Medizinstudium immatrikulieren als Männer? Gegner einer (Frauen)quote würden an dieser Stelle mit dem Primat der Qualifikation argumentieren. Und jetzt wird's schwierig; denn nach dem aktuellen Auswahlverfahren erhalten mehr junge Frauen einen der begehrten Plätze, weil sie in einem Schulsystem, dem ein männlich kompetitives System zugrunde liegt, schlicht das bessere Abitur und damit einen besseren Numerus Clausus vorweisen können. 
Der Autor löst das Dilemma, indem er das jahrzehntelang widerspruchslos akzeptierte, NC-Verfahren infrage stellt. Folgt man dieser Logik, scheint die Qualifikation allein durch den Notendurchschnitt nicht mehr aussreichend, sobald Frauen zur ernsthaften Konkurrenz werden. Ein ausführliches Testverfahren, das Fähigkeiten wie "Zuwendung" und "Zuverlässigkeit" prüft, erscheint dem Verfasser geeigneter, da aus seiner Sicht "Medizin (...) eine Erfahrungs- und weniger eine Naturwissenschaft" ist. 

Ein durchaus sinnvoller Vorschlag, um die wirklich zum Heilberuf Befähigten zu bekommen. Aber Vorsicht! In diesem Test kommen gemeinhin dem weiblichen Geschlecht zugeordnete Eigenschaften zum Tragen – die gute Ärzte und Ärztinnen ohnehin kennzeichnen sollten. Wenn in Befragungen männliche Studierende angeben, dass überwiegend Karriere- und Prestigegründe ausschlaggebend bei der Entscheidung für ein Medizinstudium seien und Frauen eher vom Gedanken helfen zu wollen, geleitet sind – wem gäbe ein solcher Test dann wohl den Vorzug? 

Das im Beitrag beschriebene Szenario, dass überwiegend Frauen zu den Studiumsabbrechern zählten, häufig nicht oder nur halbtags im Arztberuf tätig seien und damit den ärztlichen Notstand wenigstens mit zu verantworten hätten, blendet strukturelle Hintergründe konsequent aus. Ein Blick auf die Zahlen der Bundesärztekammer zeigen, dass mit einem geringen Überschuss sich überwiegend männliche Ärzte in berufsfremden Tätigkeitsbereichen tummeln. Hauptverantwortlich für einen beruflichen Ausfall von 10 Prozent der Ärztinnen gegenüber 2 Prozent der Ärzte ist und bleibt jedoch die Elternzeit, die 2015 von 6.722 Ärztinnen gegenüber 205 Ärzten bestritten wurde. Einige Kliniken in der Republik bieten ihren Mitarbeitern ein dem 24/7-Betrieb angepasstes Betreuungsangebot an. Der Unfallklinik Murnau gelingt es damit seit den 1970er Jahren, die Fluktuation in der Ärzteschaft zu verringern und dabei positive Zahlen zu schreiben. 
Auch der Blick über den nationalen Tellerrand macht deutlich, dass die hiesigen Strukturen kein unveränderbares Naturgesetz sind. Beispiel: dank flacher Hierarchien und einer selbstverständlicheren Akzeptanz gegenüber Familien rechnen sich 57,4 Prozent der deutschen Teilnehmerinnen des Biomedical Exchange Programs in den USA deutlich bessere Karrierechancen aus als in Deutschland (2 Prozent). Eine Umfrage des Hartmannbundes von 2014 bestätigt diese beiden Faktoren als größte Hürden für eine weibliche Medizinerkarriere. 

Aber über eine geschlechterparitätische 50:00 Quote ließe sich ja mal nachdenken; sie sollte konsequenterweise auch auf spätere Karrierestufen anwendbar sein, z.B. bei der Vergabe von Chefarztpsosten und Professuren, ebenso wie von Funktionärsposten in den Gremien der Selbstverwaltung und in Fachverbänden. Die Spielregeln jedoch einseitig ändern zu wollen, um prophylaktisch das Verlieren zu verhindern, ist ein Ausdruck von Schwäche.