Dienstag, 22. August 2017

Editorial Kongress-Bried Gender-Gesundheit (Juni 2017)

Ob man in Zukunft von einem erfolgreichen G20-Gipfel 2017 sprechen kann oder sich eher an die Gewaltexzesse erinnert, wird die Umsetzung der Beschlüsse in der Praxis zeigen. Angesichts der aktuellen weltpolitischen Situation braucht es eine wirklich positive Einstellung, um den Blick überhaupt in die Zukunft zu richten. Vielleicht ist der Zweckoptimismus von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gar keine so schlechte Strategie. Ein "Meilenstein zur Stärkung der Globalen Gesundheit", ist laut Gröhe dank des G20-Gipfels erreicht. Das lässt hoffen. Ziel ist es, "eine starke und ausreichend finanzierte Weltgesundheitsorganisation" aufzubauen und "eine bessere Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes bei Mensch, Tier und in der Umwelt" zu erreichen; dazu sollen "Anstrengungen in der Forschung und (die) Entwicklung neuer Impfstoffe und Arzneimittel" für eine gesündere Weltbevölkerung sorgen.

Keine Frage! Impfstoffe und wirkungsvolle Antibiotika, die dringend gebraucht werden, um z.B. die wieder auftretende Tuberkulose in den Griff zu bekommen sind unverzichtbar. Gesundheit sollte sich aber nicht allein auf die Heilung von Krankheiten beschränken, sondern eben auf Gesundheit. Tuberkulose, durch Bakterien ausgelöst, entfaltet seine verheerende Wirkung dank schlechter bis katastrophaler Lebensverhältnisse. Enge, mangelnde Hygiene, schlechte Ernährung und schwere Arbeit sorgen für ein schwaches Immunsystem und leichte Ansteckung. Die in Romanen und Opern elegant verbrämte Krankheit kostete Mitte des 19. Jahrhunderts statistisch etwa jedem vierten Mann das Leben und gehörte während der beginnenden Industrialisierung in Europa zum Alltag vorwiegend der armen Bevölkerung.

Neben dem Appell an die Forschung könnten Überlegungen zur Verhütung von Krankheiten Signale z.B. in Richtung Wirtschafts- und Entwicklungspolitik setzen. Eine funktionierende Kanalisation trägt beträchtlich zur Volksgesundheit bei – menschenwürdige Arbeitsbedingungen auch. Bildung und die gesundheitliche Förderung von Mädchen und Frauen v.a. in Entwicklungsländern stärkt nicht nur deren Position, sondern hilft Kindersterblichkeit und die Ansteckung sexuell übertragbarer Krankheiten zu reduzieren. Allein die Vermeidung von frühen Schwangerschaften erhöht die Lebenserwartung von Frauen und die Möglichkeit, der Armut zu entkommen; denn wenn diese Mädchen ihre Ausbildung fortsetzen können und zum Einkommen der Familie beitragen, vermehrt sich auf lange Sicht auch der Wohlstand einer Gesellschaft.  Mit der Verbesserung der Gesundheit der Weltbevölkerung haben wir also eine Mammutaufgabe vor uns, die sich eben nicht nur auf die Bekämpfung von Krankheiten beschränken sollte. Um so wichtiger, dass der Bundesgesundheitsminister nun verstärkt auf die Erkenntnisse aus dem Bereich Global Health setzen möchte. Eine Chance, um sich die Expertise von Fachmännern und – von Fachfrauen zunutze zu machen. Eine Chance, um aus unterschiedlichen Perspektiven weltweit auf Männer- und Frauengesundheit zu blicken.

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